Es klingt so viel einfacher, als es wirklich ist: Trotz oder gerade mit einer chronischen Erkrankung ist es wichtig, aktiv zu bleiben, sich regelmäßig zu bewegen, sich Zeit für Entspannung zu nehmen, unter Menschen zu gehen, Hobbys zu pflegen.
Einer meiner Patientinnen fand dafür kürzlich recht deutliche Worte. „Das ist wirklich der blanke Hohn!“ sagte sie mir sichtlich gereizt. „Ich bin froh, wenn ich irgendwie meine Arbeit schaffe. Danach falle ich auf die Couch und bin zu nichts mehr in der Lage! Wie soll ich dann noch meditieren oder laufen gehen?“
Ähnlich wie diesem Betroffenen geht es vielen Menschen mit Fibromyalgie (und mit anderen chronischen Erkrankungen). Vielleicht auch Ihnen?
So positiv regelmäßige Bewegung, Entspannung und soziale Kontakte langfristig sein mögen – auch sie kosten Energie, und die ist bei Fibromyalgie eben leider nicht gerade im Überschuss vorhanden.
Aber was soll dann die Lösung sein?
Auch meine Patientin stimmte im Grunde mit mir darin überein, dass ihr aktueller Lebensstil ihr nicht gut tat. Früher hatte sie regelmäßig Sport getrieben und sich mit Freundinnen oder Bekannten getroffen. Ihre Stimmung war deutlich besser gewesen.
Doch woher sollte sie die Kraft nehmen, solche Aktivitäten wieder aufzunehmen?
Eine Pauschalantwort kann ich darauf natürlich nicht geben. Allerdings habe ich in den letzten Jahren, in denen ich mit sehr vielen Fibromyalgie-Patienten gearbeitet habe, doch überraschend viele Menschen kennengelernt, die das nach und nach geschafft haben. Meiner Erfahrung nach ist es hilfreich, auf folgende Punkte zu achten:
1. Zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden
Vermutlich sind auch Sie täglich vielen Anforderungen und Erwartungen ausgesetzt, erfüllen etliche Aufgaben in Familie und Beruf. Vielleicht sind das so viele, dass Ihre eigenen Bedürfnisse auf der Strecke bleiben, weil die Kraft und die Zeit dafür nicht mehr reichen. Doch müssen Sie wirklich alle diese Anforderungen erfüllen? Antworten Sie bitte nicht vorschnell mit „ja“. Überlegen Sie, ob Sie sich von einzelnen Verpflichtungen befreien können. Welche sind wirklich wichtig, von welchen können Sie sich trennen? Nur wenn Sie auch mal mit „nein“ antworten, haben Sie die Kraft, „ja“ zu den Aktivitäten zu sagen, die Ihnen wirklich am Herzen liegen.
2. Kleine Schritte gehen
Wenn Sie es momentan aufgrund von Schmerzen und/oder Müdigkeit nicht schaffen, ein größeres Sportprogramm zu absolvieren, dann beginnen Sie ganz klein. Vielleicht können Sie direkt nach der Arbeit noch eine Runde um den Block spazieren. Oder Sie nehmen sich jeden Abend vor dem Schlafengehen 5 Minuten Zeit für eine Mini-Entspannungsübung. Wichtig ist, dass Sie diese Übungen zur Routine werden lassen, also regelmäßig durchführen. Nach und nach wird Ihre Spazierrunde dann vielleicht etwas länger und die Entspannungsübung machen Sie zusätzlich in der Mittagspause.
3. Erklären, was mit Ihnen los ist
Leider ist Fibromyalgie nach wie vor eine recht unbekannte Krankheit – obwohl sie in Deutschland mehrere Millionen Menschen betrifft. Wer selbst gesund ist, kann schwer nachvollziehen, was Betroffene erleben. Fast alle meiner Patientinnen haben mir schon von unangenehmen Erfahrungen berichtet („Du siehst doch gar nicht krank aus!“). Auch wenn Sie sicherlich nicht mit jedem über Ihre Diagnose sprechen möchten, so kann es doch sehr entlastend sein, nahestehenden Menschen so gut wie eben möglich zu erklären, was mit Ihnen los ist. Das kostet Zeit und ist vielleicht anstrengend, lohnt sich aber langfristig. Denn dann werden Familie und Freunde besser verstehen, warum Sie sich bei Treffen manchmal früher zurückziehen und dass bestimmte (laute, anstrengende) Aktivitäten nichts für Sie sind – andere aber durchaus! Und sie werden wissen, dass Sie auch mit Ihrer Erkrankung dabei sein möchten – ohne sich jedes Mal aufs Neue erklären zu müssen!